Souveränität > Der Staatsvertrag

ht3ut1-1ht3ut1-2ht3ut1-3ht3ut1-4ht3ut1-5ht3ut1-6ht3ut1-7ht3ut1-8ht3ut1-9ht3ut1-10Wegweisend für die Geschichte des Österreichischen Staatsvertrages – aber auch für das österreichische Nachkriegs-Selbstverständnis – war die am 1. November 1943 veröffentlichte Moskauer Deklaration. Darin bezeichneten die Außenminister von Großbritannien, den USA und der Sowjetunion Österreich als das erste "Opfer" der "typischen Angriffspolitik Hitlers", erklärten die "Besetzung" für "null und nichtig" und nannten die Wiederherstellung eines freien Österreich als eines ihrer Kriegsziele. Gleichzeitig wurde Österreich an seine Verantwortung an der Teilnahme des Krieges "an der Seite Hitler-Deutschlands" erinnert.

Status und Begriff

Nach Kriegsende befand sich Österreich in einer politischen Zwischenstellung: Keinesfalls war es jenen Staaten wie Holland, Dänemark oder der Tschechoslowakei gleichzustellen, die von den Siegermächten befreit und ihnen zugezählt wurden. Der Moskauer Deklaration zufolge galt es dennoch als durch die Alliierten befreit. Deswegen sollte auch kein Friedensvertrag, sondern ein "Vertrag zur Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreich" geschlossen werden. Der Begriff "Staatsvertrag", dessen Geschichte in die Erste Republik zurückgeht, wurde zuerst nur von den österreichischen Politikern verwendet, bis er sich im Laufe der Verhandlungen auch bei den Alliierten etablierte. Neben der Streichung der so genannten "Mitverantwortungsklausel" aus der Präambel des Vertrages kann nicht zuletzt die Bezeichnung "Staatsvertrag" als Ausdruck jener These gewertet werden, Österreich sei nur ein Opfer des nationalsozialistischen Deutschland gewesen.

Vertragsparteien

Die neun Unterschriften, die in einer feierlichen Zeremonie am 15. Mai 1955 im Schloss Belvedere auf das Dokument des Staatsvertrages gesetzt wurden, stammen vom jeweiligen Außenminister und Hochkommissar der vier Alliierten sowie dem österreichischen Außenminister. Das Papier wurde in russischer, englischer, französischer und deutscher Sprache ausgefertigt.
Neben den fünf Signatarstaaten traten bis 1961 noch weitere acht Staaten dem österreichischen Staatsvertrag bei. Sie machten als so genannte "Assoziierte Mächte" von jenem Recht Gebrauch, das all jenen Staaten offen steht, die sich zum Datum des offiziellen Waffenstillstandes im Kriegszustand mit Deutschland befunden haben. In chronologischer Reihenfolge waren das Jugoslawien und die Tschechoslowakei (Beitritt 1955), Polen (1956), Mexiko (1957), Brasilien (1958), Neuseeland und Kanada (1960) sowie Australien (1961). Die Nachfolgerechte von den inzwischen um- und neu gegründeten Staaten sind uneinheitlich und zum Teil ungeklärt.

Wesentliche Aussagen des Staatsvertrages

Die rechtliche und politische Aussage des österreichischen Staatsvertrages besteht in der Wiederherstellung der Republik Österreich, der Achtung ihrer völkerrechtlichen Souveränität und dem Abzug der Besatzungsmächte. Die Tätigkeit nationalsozialistischer und faschistischer Organisationen wird verboten und Schutzbestimmungen für die slowenische und kroatische Minderheit in Österreich ausgesprochen. Einige Bestimmungen, etwa das "Anschlussverbot" an Deutschland, wurden u.a. im Zuge der Beitrittsbemühungen Österreichs zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) erneut diskutiert. Einzelne der detaillierten Rüstungsbeschränkungen sind durch die politischen Veränderungen im Laufe der vergangenen 50 Jahre obsolet geworden.
Das von Österreich am 26. Oktober 1955 beschlossene Bundesverfassungsgesetz über die immerwährende Neutralität auch zu Friedenszeiten nach der "Art, wie sie von der Schweiz gehandhabt wird", steht als eine der Bedingungen für den Abschluss in einem engen politischen Zusammenhang mit dem österreichischen Staatsvertrag. Festgeschrieben ist sie darin jedoch nicht.
In dem nebenstehenden Bericht an den Ministerrat vom 24. Februar 1962 gibt Bruno Kreisky eine kurze Darstellung der historischen Entwicklung der österreichischen Neutralität. Anschließend äußert er seine Einschätzung bezüglich der Vereinbarkeit mit der geplanten Teilnahme an einem umfassenden europäischen Markt.