Souveränität > Staatsvertragsverhandlungen
Nach Kriegsende wurden die Abschlüsse der Friedensverträge mit den Verbündeten des Deutschen Reiches (Italien, Ungarn, Rumänien, Bulgarien und Finnland) vorrangig behandelt. Die Verhandlungen um den Friedensvertrag mit Deutschland und um einen Vertrag mit Österreich wurden erst im Jänner 1947 aufgenommen und wurden bis 1955 mehrmals unterbrochen. Österreich hatte bis 1954 nur Anhörungsrecht.
Eine der Ursachen für die lange Verzögerung bestand in der Koppelung der "österreichischen Frage" an den Friedensvertragsabschluss mit Deutschland. Gleichzeitig waren die ungeklärten Reparationsverpflichtungen Österreichs, also wirtschaftliche Interessen, wesentliche Streitpunkte. In den ersten Jahren waren unter anderem Gebietsforderungen von jugoslawischer Seite strittig. Seit 1949 spielten vor allem politische Sicherheitsbedenken der einzelnen Alliierten im sich zuspitzenden Kalten Krieg eine bestimmende Rolle.
Der nebenstehende Amtsvermerk über die Konferenz mit den österreichischen Botschaftern in London, Moskau, Paris und Washington vom Frühjahr 1955 gibt einen Überblick über die verschiedenen und zu dieser Zeit festgefahrenen Positionen der vier Besatzungsmächte.
Sicherheitsbedenken und ökonomische Interessen
Zu einer Weichenstellung kam es ab Februar 1954. Auf der Berliner Außenministerkonferenz, an der Österreich erstmals als gleichberechtigter Verhandlungspartner teilnahm, gab Außenminister Leopold Figl Österreichs Absicht bekannt, sich freiwillig keinem Militärbündnis anschließen zu wollen. Dieser Vorschlag wurde von den USA anerkannt. Nachdem die inzwischen gegründete BRD im Oktober 1954 der NATO beigetreten war, änderte auch die Sowjetunion ihre außenpolitische Linie. Um die bündnisfreie Zone zwischen den verfeindeten Militärblöcken zu vergrößern, stellten die sowjetischen Diplomaten den Abschluss eines Staatsvertrages in Aussicht, würde Österreich sich für eine Neutralität nach dem Muster der Schweiz entscheiden.
Während der Moskauer Verhandlungen wurden neben den wesentlichen sicherheitspolitischen auch wirtschaftliche Fragen mit der Sowjetunion geklärt und im Moskauer Memorandum vom 15. April 1955 festgeschrieben. Das Protokoll der Moskaureise, aufbauend auf einem Stenogramm von Adolf Schärf und ergänzt von Bruno Kreisky, ist als Aktenkonvolut nebenan gestellt.
Weitere wichtige Papiere aus der Vorbereitungsphase des Österreichischen Staatsvertrages sind das Wiener sowie das Österreichisch-Französische Memorandum (beide vom 10. Mai 1955), die vor allem die Entschädigungsverpflichtungen Österreichs gegenüber den USA, Großbritannien und Frankreich regeln.
Dem Motto "befreit, aber nicht frei" folgend wurden die Staatsvertragsverhandlungen von österreichischer Seite zunehmend als "Freiheitskampf" interpretiert, in dem Österreich als Opfer der alliierten Besatzung konstruiert wurde. Diese Positionierung wurde unter anderem durch Parolen auf politischen Veranstaltungen wie den alljährlichen Feiern zum 1. Mai zum Ausdruck gebracht. Nach 1955 wurde sie in zahlreichen historischen Darstellungen weitergeführt.