Politik Presse Partei > Politik (Druckerei und Parteizentrale 1910–1934)

Die Gründungsjahre

ht10ut1-1ht10ut1-2ht10ut1-3ht10ut1-4ht10ut1-5ht10ut1-6ht10ut1-7ht10ut1-8ht10ut1-9ht10ut1-10ht10ut1-11ht10ut1-12ht10ut1-13ht10ut1-14Der fünfte Wiener Gemeindebezirk Margareten entwickelte sich im 19. Jahrhundert im Zuge der Industrialisierung zu einem Arbeiterbezirk mit stetig wachsender Bevölkerungszahl. Mit dem Bau der Stadtbahn (heute U4) im Jahr 1899 wurde auch der Wienfluß reguliert. Nach dem Wahlsieg der SDAP (Sozialdemokratische Arbeiterpartei) 1907 beschloss die Parteileitung, ein eigenes Redaktions- und Druckereigebäude für die 1889 gegründete „Arbeiter-Zeitung“ zu errichten und erwarb ein Zinshaus in der damaligen Wienstraße 89a. Hubert und Franz Gessner, Schüler des Stararchitekten Otto Wagner, wurden von der „Verlagsanstalt Vorwärts, Swoboda & Co.“ mit dem Bau des Prestigeprojekts beauftragt. Sie adaptierten das bestehende dreistöckige Zinshaus zum Sitz der Parteizentrale und als Redaktionsgebäude der „Arbeiter-Zeitung“. Eine damals hochmoderne Druckerei wurde im Innenhof neu errichtet und mit dem Haupthaus verbunden. So konnten alle Arbeitsabläufe der modernen Zeitungsproduktion (Redaktion und Inseratenannahme, Satz, Druck, Auslieferung) reibungslos abgewickelt werden. Bei der Planung wurden die von der Sozialdemokratie geforderten arbeitstechnischen Standards mit einem modernen Druckmaschinenpark, ausreichender Beleuchtung und Belüftung der Arbeitsräume, Sanitäreinrichtungen, Personen- und Lastenaufzügen und einer Betriebskantine umgesetzt. Die Außenfassade des Haupthauses strukturierte Hubert Gessner mit einem rot verfliesten Gebäudesockel und einem mächtigen Einfahrtstor, einem Balkon im ersten Stock und einer imposanten Uhr am Giebel des Gebäudes, die vom zwei Steinfiguren des österreichischen Bildhauers Anton Hanak umrahmt wird. Im Juli 1910 bezogen das Parteisekretariat, die Redaktion der „Arbeiter-Zeitung“, das Frauenzentralcomitee, die Gewerkschaftskommission und 200 Angestellte der Verlags- und Druckereianstalt „Vorwärts“ das neue Haus. Ab 1911 lautete die Adresse Rechte Wienzeile 97.

Erste Republik bis 1934

Das Vorwärts-Haus wurde zum Symbol der österreichischen Sozialdemokratie und diente in der Ersten Republik als Treffpunkt ihrer internationalen VertreterInnen. Gleichzeitig war es als bedeutender Arbeitgeber ein politisches Kommunikationszentrum: Durch den direkten Vertrieb der Zeitschriften durch KolporteurInnen und durch die kostenlosen juristischen Sprechstunden im Haus hatten sozialdemokratische PolitikerInnen direkten Bezug zur Bevölkerung und ihren Problemen. Die drei Chefredakteure der „Arbeiter-Zeitung“ (Victor Adler, Friedrich Austerlitz und Oscar Pollak) waren in beratender Funktion im Parteivorstand vertreten und kommunizierten dessen Entscheidungen in ihren Leitartikeln. Politische Kampagnen wurden im Haus entwickelt und mit Plakaten, Zeitschriften, Broschüren und Flugzetteln vor Ort umgesetzt. Auch der Republikanische Schutzbund, die bewaffnete Wehrformation der Partei, hatte seinen Sitz in der Rechten Wienzeile. Die Wahlerfolge der SDAP – bei den Gemeinderatswahlen 1927 wählten 60,3% der Wiener Bevölkerung sozialdemokratisch – wurden durch an der Fassade des Vorwärts-Hauses befestigte Leinwände angezeigt. Mit dem Aufstieg der Partei wuchs auch der Platzbedarf ihrer Teilorganisationen. Bereits 1919 wurde im selben Häuserblock (Sonnenhofgasse 6) die sozialdemokratische Kunststelle eingerichtet. 1926 kaufte der Vorwärts-Verlag das Nachbarhaus in der Rechten Wienzeile 95. Mit einem Zubau verband Hubert Gessner die bereits bestehende parteieigene Volksbuchhandlung in der Pilgramgasse 11 und 13 über den Innenhof mit den beiden Vorderhäusern. 1932 umfasste der Gebäudekomplex zusammen mit den Häusern in der Rechten Wienzeile 93 und 101 (Ecke Sonnenhofgasse) eine Gesamtfläche von 3.000m². Nicht nur die „Arbeiter-Zeitung“, auch die im Vorwärts produzierten illustrierten Massenblätter wie „Das Kleine Blatt“, „Der Kuckuck“, die Wochenzeitung „Die Frau“ und die "Arbeiter-Illustrierten-Zeitung" erreichten sensationell hohe Auflagen.

Nach der Ausschaltung des Parlaments am 4. März 1933 stellte der autoritär regierende Bundeskanzler Engelbert Dollfuß die „Arbeiter-Zeitung“ als Zentralorgan der Sozialdemokratie Deutschösterreichs unter Vorzensur. Am 30. Mai wurde der Republikanische Schutzbund verboten, ab Juli 1933 stand die AZ unter verschärfter Vorlagepflicht. Am 8. Februar 1934 sperrte ein Polizeiaufgebot den Gebäudeblock rund um das „Vorwärts“-Haus ab und besetzte sämtliche Eingänge, um nach versteckten Waffen des Republikanischen Schutzbundes zu suchen. Nur Angestellte durften das Haus betreten. Im Zuge der Hausdurchsuchung wurde die Telefonzentrale ausgeschaltet und der Verkehr zwischen den einzelnen Stockwerken untersagt. Mit dem Signal zum Generalstreik, der Stromabschaltung in ganz Wien, blieben am 12. Februar um 11.30 die Druckmaschinen stehen. Am frühen Nachmittag wurde das Haus von Polizei und Heimwehr besetzt und die Angestellten der Druckerei wurden nach Hause geschickt. Der Parteivorstand wurde inhaftiert, einige Mitglieder konnten ins Ausland fliehen. Die SDAP und die ihr untergeordneten Organisationen wurden noch am selben Tag verboten. Der Aufstand der Sozialdemokratie gegen das autoritäre Dollfuß-Regime dauerte in einzelnen Industriestädten noch bis zum 15. Februar, scheiterte aber schließlich. Mit dem Bürgerkrieg von 1934 ging auch die Geschichte des Hauses als Parteizentrale der Sozialdemokratie zu Ende.