Fluchtpunkt Wien > ČSSR
Im Zuge des „Prager Frühlings“ – des Versuchs der tschechoslowakischen kommunistischen Partei, ein Liberalisierungs- und Demokratisierungsprogramm durchzusetzen – und dessen gewaltsamer Niederschlagung durch einmarschierende Truppen des Warschauer Paktes am 21. August 1968 flüchteten insgesamt mehr als 210.000 TschechoslowakInnen nach Österreich. Der damalige österreichische Botschafter in Prag, Rudolf Kirchschläger, ermöglichte durch die Ausstellung von Visa vielen die Ausreise. Im August 1968 befanden sich zudem rund 50.000 tschechoslowakische TouristInnen auf Urlaub in Jugoslawien, Bulgarien und Rumänien. Sie konnten wegen der Grenzsperre durch Ungarn nicht heimreisen und wurden in Wien in der Stadthalle sowie in Zeltlagern im Überschwemmungsgebiet der Donau, auf Campingplätzen und in Heimen untergebracht. Die meisten Flüchtlinge wollten die Entwicklungen in der ČSSR abwarten. Manche entschieden sich aber weiterzureisen, und zwar nach Kanada, Australien, Südafrika, die USA und die Schweiz. 12.000 TschechoslowakInnen suchten in Österreich um Asyl an.
1977 setzte erneut eine Fluchtwelle aus der Tschechoslowakei ein. Mit der Bürgerinitiative "Charta 77", zu deren Gründungsmitgliedern der spätere Präsident Václav Havel gehörte, hatte sich in der Tschechoslowakei eine Bürgerinitiative gegründet, die einen Demokratisierungsprozess der kommunistischen Partei forderte. Der Staat reagierte mit der Verhaftung der Aktivisten. Bundeskanzler Bruno Kreisky lud ausreisewillige Charta 77-UnterzeichnerInnen nach Österreich ein. Sie erhielten direkt in Wien Beherbergungs- und Betreuungshilfe.