Macht Politik Entscheidung > Zweite Republik
Noch während der letzten Wochen des Zweiten Weltkrieges konstituierten sich im sowjetisch besetzten Wien und in Niederösterreich die politischen Parteien SPÖ, ÖVP und KPÖ. Karl Renner (SPÖ), der von den sowjetischen Besatzern das Amt des Staatskanzlers übertragen bekommen hatte, bildete eine provisorische Staatsregierung, die am 27. April 1945 die Wiedererrichtung der Republik Österreich proklamierte. Die Regierung, in der die drei Parteien annähernd gleich stark vertreten waren und die durch das Fehlen eines Parlaments sowohl die Gesetzgebung als auch deren Vollziehung innehatte, wurde vorerst nur von sowjetischer Seite anerkannt. Die westlichen Alliierten sowie auch die von ihnen besetzten Bundesländer stimmten erst in den Herbstmonaten einer Zusammenarbeit zu. Ab 4. Juli 1945 unterstand Österreich einer alliierten Militärregierung, die bis zum Abschluss des Staatsvertrages die höchste staatliche Entscheidungsinstanz war.
Große Koalition
Die neu gegründeten Parteien standen ideologisch weitgehend in der Tradition ihrer Vorgängerorganisationen der Ersten Republik, was sich auch in personellen Kontinuitäten manifestierte. Bei den ersten Nationalratswahlen der Zweiten Republik am 25. November 1945 erreichte die ÖVP mit 49,8 Prozent die absolute Mehrheit vor der SPÖ (44,6 Prozent), während die KPÖ mit 5,4 Prozent ein, an den Erwartungen gemessen außerordentlich schlechtes Ergebnis zu verbuchen hatte. Nachdem 1947 der einzige kommunistische Minister Karl Altmann die Konzentrationsregierung unter Bundeskanzler Leopold Figl (ÖVP) verlassen hatte, gingen die beiden Großparteien eine Koalition ein, die über insgesamt neun Kabinette bis 1966 Bestand haben sollte.
Demonstrierte Einigkeit
Das ausdrückliche Ziel der österreichischen Koalitionsregierung war es, den Wiederaufbau des Landes zu forcieren und gleichzeitig gegenüber den alliierten Besatzungsmächten die Fähigkeit zur politischen Selbstständigkeit zu beweisen. Dementsprechend hoch waren die Kooperationsbemühungen und der Verständigungswille der Parteiführungen von ÖVP und SPÖ. Zu Gunsten dieses "Burgfriedens" akzeptierten die ehemaligen Bürgerkriegsgegner den weitgehenden Verzicht auf Durchsetzung eigener politischer Programme. Bestimmte Themen wie etwa die Auseinandersetzung mit den Ereignissen des Jahres 1934 oder dem autoritären Ständestaat wurden von offizieller Seite tabuisiert. Untermauert wurde die Stabilität der Großen Koalition zudem von der Sozialpartnerschaft und einem umfangreichen Proporzsystem. Der große Wahlerfolg der WdU, die bei ihrem ersten Wahlantritt 1949 mehr als 11 Prozent der Stimmen erreichte, steigerte die Bereitschaft der Regierungsparteien zu einer neuerlichen Koalition.
Konfrontationen innerhalb der Wahlkämpfe
Trotz der öffentlich demonstrierten Einigkeit der Großen Koalition und den moderaten Positionen der Parteieliten war die Zusammenarbeit von Konflikten bestimmt. So wurde der Nationalrat nur zwischen 1945 bis 1949 nicht vor Ablauf der Legislaturperiode aufgelöst und durch vorzeitige Neuwahlen neu zusammengesetzt.
Die Wahlkämpfe wurden sehr polemisch geführt und waren von gegenseitigen Anschuldigungen und Diskreditierungen geprägt. Die Lagermentalität der Basis der Parteien wurde bei politischen Veranstaltungen – etwa den Feiern zum Ersten Mai – offen formuliert. Durch die vehemente Betonung der Differenzen sollten die Parteilinien Konturen erhalten und Wählerinnen und Wähler mobilisiert werden.