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Interview mit Dr. Elisabeth Pittermann am 5.12.2022 im Kreisky-Archiv. Transkript Maria Steiner.

Dr. Elisabeth Pittermann, Jg. 1946, war selbst ursprünglich keine Anhängerin der Fristenlösung. Sie erlebte aber als junge Medizinstudentin 1968 im Spital den Tod einer jungen Mutter nach einer unsachgemäß durchgeführten Abtreibung. Im Interview erzählt sie auch über ihre jüdische Mutter, die 1938 einen Schwangerschaftsabbruch durchführen lassen musste.

Steiner

Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben.

Pittermann

Gerne. Also ich kann nur erzählen, was ich von meiner Mutter weiß, sie war Jahrgang 1907. Sie hat mich aufgeklärt. Meine Mutter war gegen die Anti-Babypille, aber nicht aus moralischen Gründen. Sie hat damals gemeint, das wäre noch zu wenig erforscht. Die ersten Pillen, Eugynon und Anovlar, waren auch tatsächlich sehr hoch dosiert. Meine Mutter empfahl als Verhütungsmethode das Präservativ, aber ich habe gesagt: „Da wäre ich heute noch Jungfrau!“ [Lacht]. Meine Mutter war eine glühende Verfechterin des Schwangerschaftsabbruchs, aber ich selber wollte für mich keinen Schwangerschaftsabbruch haben und habe nie einen gehabt, ich war für mich selbst dagegen. Ich habe mir schon in meiner Kindheit ein Leben mit eigenen Kindern gewünscht, und ich befürchtete, Probleme mit den Schwangerschaften zu bekommen.

Steiner

Also in Ihrer Familie war das Thema überhaupt kein Tabu?

Pittermann

Nein, meine Eltern fanden, dass das Frauen selbstbestimmt entscheiden können müssen. Mir sagten sie: „Wir wollen nicht, dass dich ein Mann zu einer Engelmacherin bringt, wir werden dafür sorgen, dass das in Ordnung und ohne großes Risiko sein wird.“ Denn die Ungerechtigkeit beim Schwangerschaftsabbruch war natürlich: Die einen konnten sich´s richten, und die anderen nicht. Für mich selber wäre es ab 1968 überhaupt kein Problem gewesen, denn eine Cousine meiner Mutter ist 1938 nach England geflohen und war dort Anästhesistin, und ab 1968 war der Schwangerschaftsabbruch in England straffrei, da hätte ich nur nach London fliegen müssen.

Steiner

Das haben die Frauen, die ich bis jetzt interviewt habe, auch erzählt, dass London sozusagen die letzte Ausweiche war, auch wenn die Schwangerschaft schon etwas fortgeschritten war.

Pittermann

Ja, das war sicher die „angenehmste“ und sicherste Form des Schwangerschaftsabbruchs, aber das hat sich ein armer Teufel – jene, die es am meisten benötigten – nicht leisten können. Ich glaube, im fortgeschrittenen Stadium, bis zu 6. Monat wurden Kochsalzlösungen in die Gebärmutter eingespritzt und dadurch kam es zu einem Abgang. Die größte Gefahr bei einer der Kürettage war ja, dass man die Gebärmutter durchsticht. Es kam dann oft zu Blutungen, zu Bauchfellentzündungen, das ist oft genug passiert; es kam häufig zu schweren bis tödlichen Komplikationen. Ich glaube, dass man in England Abbrüche bis zum sechsten Schwangerschaftsmonat durchgeführt hat, aber das weiß ich nicht mehr so genau, ich habe das nicht so genau verfolgt. Aber wie gesagt, ich habe zu meiner Mutter gesagt: „Ich will keinesfalls einen Schwangerschaftsabbruch, ich erwarte von dir, dass du das Kind aufziehst, bis ich mein Studium beendet habe, wenn du nicht willst, dass ich die Pille nehme.“ Und da hat sie geschluckt und gesagt na gut, wenn es dein Wille ist, dann soll das auch das so sein. [lacht]. Aber wie gesagt, meine Eltern waren sehr offen, sie waren gegen Heuchelei, und sie haben gesagt, man soll sein Leben genießen, und meine Mutter war Anhängerin des Kondoms. Das ist dann durch HIV wieder gekommen, aber sonst hat keiner gern ein Kondom verwendet.

Steiner

Was waren denn die häufigsten Verhütungsmethoden?

Pittermann

Naja, dass man einen Interruptus gemacht hat, das war sicher das häufigste. Bei Juden eher das Kondom und bei Nichtjuden eher der Absprung. [lacht]

Steiner

Und die Kalendermethode?

Pittermann

Das kann helfen, aber da muss man schon ziemlich viel Zeit einplanen und man muss auch einen regelmäßigen Zyklus haben. Unmittelbar nach der Regel, dann ist die Schleimhaut noch nicht aufgebaut. Aber wie gesagt, ich habe das Glück gehabt, dass ich nie ungewollt schwanger geworden bin. Und dann, wenn man schon Kinder hat, denke ich, ist die beste Methode die Spirale. Mein erstes Kind habe ich 1975 bekommen und meine Mutter war sehr froh, als das mit der Fristenlösung dann durch war, da hat sie gesagt: “Jetzt kann niemand glauben, du willst das Kind nicht und es ist dir passiert, denn du könntest jetzt die Schwangerschaft legal beenden.” Mir persönlich war es egal, was andere darüber dachten, denn mein Kinderwunsch war sehr groß.

Steiner

Das Thema hat Ihre Mutter aber offenbar schon sehr beschäftigt.

Pittermann

Ja, weil sie natürlich nicht wollte, dass ich mir mein Leben verpatze, aber ich wollte unbedingt Kinder haben, weil ich mir gedacht habe, es kann passieren, dass ich nach einem Abbruch keine Kinder mehr bekommen kann und daher wollte ich das nicht machen. Ich war bereit zu verhüten, aber für einen Schwangerschaftsabbruch bei mir selber, dafür war ich absolut nicht.

Steiner

Da steckte auch die Angst dahinter, dass man…

Pittermann

nachher steril ist.

Steiner

Wie passiert das?

Pittermann

Na zum Teil kann das natürlich durch Infektionen passieren, und zum Teil wird ja der Muttermund relativ brüsk aufgedehnt und dadurch haben die Frauen dann frühzeitig die Kinder verloren. Der Muttermund ist ganz eng, das ist eine Folge des aufrechten Ganges, und wenn der sich frühzeitig öffnet, kommt es oft zu Frühgeburten oder Fehlgeburten. Sicher nicht bei allen, aber bei vielen war es das die Folge früherer Abbrüche. Durch Infektionen kann es auch zu Eileiterverklebungen kommen. Also harmlos ist ein Schwangerschaftsabbruch nicht.

Steiner

Und welche Methoden wurden eingesetzt?

Pittermann

Also ich glaube, die Frauen haben früher meist bei Hebammen oder sonstigen weisen Frauen den Abbruch durchführen lassen. Ich glaube von Seiten der Sozialdemokratie, von den sozialdemokratischen Frauenorganisationen, erhielten sie in der Ersten Republik oft die Adressen von Ärzten und Ärztinnen, die vertrauenswürdig waren, nicht rasend teuer und häufig Juden waren. Meine Mutter war am Anfang einer Schwangerschaft im Februar 1938. Sie sollte keine Kinder bekommen, wegen ihrer Augenerkrankung. Ihr Augenarzt sagte, sie würde erblinden und das Kind kann durch Vererbung auch blind geboren werden. Und deshalb war es die Übereinkunft meiner Eltern, dass sie verhüten. Aber sollte trotz Verhütung ein Kind kommen, haben sie beschlossen, dieses als Wink des Schicksals anzunehmen. Und dann ist es passiert. Anfang 1938, und mein Vater hat noch nicht geglaubt, dass es zum Anschluss kommt, meine Mutter fürchtete schon. Unter diesen Umständen wollte sie kein Kind bekommen. Ein jüdischer Arzt hat den Schwangerschaftsabbruch durchgeführt, der musste rasch fliehen und hat die Kartei zurückgelassen. Meine Mutter ist dann von der GESTAPO vorgeladen worden. Aber sie hat gesagt, sie hat eine Narkoseuntersuchung gehabt, denn in der Kartei ist nicht “Abtreibung”, sondern “Narkoseuntersuchung” gestanden. Und zum Schluß hat meine Mutter gesagt: Ich bin Jüdin, ich darf abtreiben.“ Und dann hat die GESTAO sie hinausgeschmissen. Sie hatte dann das große Glück, durch meinen arischen Vater, der sich weigerte, sich von ihr scheiden zu lassen, etwas leichtere Bedingungen zu haben.

Steiner

Das mit den Karteien war ein grosses Problem.

Pittermann

Ich vermute, die Praxis war – denn das war meist Schwarzgeld, die Ärzte hätten das ja versteuern müssen – wie denn, wenn es verboten war? Und so haben sie die Kartei dann verschwinden lassen oder gar keine angelegt. Daher ist man auch nie zu einer Statistik gekommen. Also ich glaube, es waren sicher zum Teil Hebammen oder irgendwelche weisen Frauen, das war dann billiger, und Ärzte, die Abbrüche gemacht haben. Diese hatten neben den gerichtlichen Strafen dann oft auch Berufsverbot. Einer, der bekannt war für Schwangeschaftsabbrüche, hat bei einer Frau im fünften Monat einen Abbruch durchgeführt, dabei hat er die Gebärmutter perforiert. Diese Frau ist dann an einer Sepsis gestorben. Grundsätzlich war es so: Man hat gewußt, ein paar Ärzte machen es, ein paar machen es heimlich. Aber nach Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs 1975 war das große Geschäft eigentlich vorbei.“

Steiner

Noch eine Frage zur Muttermundaufweitung. Eine Frau hat mir erzählt, dass das sehr schmerzhaft ist.

Pittermann

Das ist irrsinnig schmerzhaft. Mit Hegarstiften wird wurde der Muttermund relativ schnell aufgedehnt und damit hat man den Muttermund so verletzen können, dass dann kein Kind mehr gehalten hat. Dieses brüske Aufdehnen war sehr schmerzhaft. Die Kürettage selber meines Wissens nicht.

Steiner

Und dann ist man mit so Schlingen in die in die Gebärmutter rein.

Pittermann

Also jetzt saugt man ab. Früher wurde die Gebärmutter sozusagen ausgekratzt.

Steiner

Aber man hat ja keinen Ultraschall gehabt…

Pittermann

Na gar nix! Das hat man im Blindflug gemacht. Und dann war ja noch etwas: Manchmal war da eine Eileiterschwangerschaft. Die ist nicht erkannt worden, und die Frauen sind dann nach einer Eileiterruptur schwer krank geworden oder gestorben. Nach der Einführung der Fristenlösung war es so in den Spitälern, dass die Ärzte einverstanden haben sein müssen, die haben das mit ihrem Gewissen oder ihrer Religion vereinbaren können müssen. Kein Arzt darf gezwungen werden, einen Abbruch durchzuführen! In manchen Krankenhäusern waren die Abbrüche relativ günstig, aber Ultraschall und weitere Untersuchungen vor und nach dem Abbruch wurden auf Befehl der Dienststelle privat verrechnet, dann war der Preis wieder sehr hoch. Dadurch verlagerten sich die Abbrüche wieder zu den niedergelassenen Gynäkologen. Die hatten da weniger Hemmungen. Problematisch mit Schwarzgeld, da kam es darauf an, ob es die Ordinationshilfe wusste – mit eigener Ehefrau war es auch schwierig, wenn sich der Arzt scheiden lassen wollte, damit war er erpressbar. Ich habe meinen Ärzten immer gesagt, wenn ihr etwas [illegales] machen wollt, dann darf es keine Zeugen geben, nur die gibt’s im Krankenhaus immer [lacht]. Daher alle Vorschriften und Gesetze befolgen!

Steiner

Als wir telefoniert haben, haben Sie erzählt, dass es vor 1975 auch die Methode gegeben hat, dass den Frauen Blut abgenommen und in die Scheide gespritzt wurde und das sah dann so aus wie eine Fehlgeburt…

Pittermann

Ja, das das habe ich erzählt bekommen von meinen vorgesetzten Oberärzten, dass die Frauen in die in die Ordination gekommen sind, man hat ihnen Blut aus der Vene abgenommen und in die Scheide gespritzt .Sie kamen dann mit einem blutigen Höschen, als abortus imminens, ins Spital. Dort wurde der Abbruch dann “ganz legal” durchgeführt.

Steiner

Eigentlich eine geniale Methode…

Pittermann

Ja, ich fand das auch relativ genial, aber wie gesagt, das wurde mir nur erzählt. Ich habe mich nicht so rasend dafür interessiert, weil ich gewußt habe, für mich kommt das nicht in Frage und damit war das Kapitel für mich nicht relevant. Ich habe 1971 angefangen, im Spital zu arbeiten und dann kam schon bald die Fristenlösung. Und man hat auch schon manchmal Indikationen gefunden wie zum Beispiel Herzinsuffizenz. Es hat auch psychiatrische Gutachten gegeben, daher waren die Psychiater sehr begehrt. Das war war ja eine häufige Indikation, dass man gesagt hat, die Frau schafft das psychisch nicht.

Steiner

Noch eine Frage: eine Interviewpartnerin hat erzählt, dass sie vor 1975 vom Hausarzt eine Spritze bekam, wenn sie mit der Periode ein, zwei Tage überfällig war, also eine Art medikamentöser Frühabtreibung. Was war das?

Pittermann

Nun, ob das wirklich gewirkt hat, weiss ich nicht, das war das Duogynon. Aber es hieß dann, wenn man das zu oft macht, das soll also nicht gut für die Brust sein und es stand auch im Verdacht, wenn die Schwangerschaft doch hält, dass es zu Missbildungen bei den Kindern kommen kann. Bewiesen wurde nichts, ich glaube, dieses Präparat gibt es nicht mehr.

Steiner

Und das wurde auch als Schwangerschaftstest eingesetzt, habe ich gelesen.

Pittermann

Ja, da hat man noch relativ wenig gewusst, zu dem Zeitpunkt und das galt als harmlos. Man hat gesagt, es beschleunigt die befruchtete Eizelle, die wandert dann schneller durch den Eileiter und kann sich nicht in die Gebärmutter einnisten, weil die Schleimhaut noch nicht aufgebaut ist. Und es wurde auch als Schwangerschaftstest eingesetzt: wenn keine Blutung kam, war die Frau schwanger. Das galt als harmlos und wurde relativ oft eingesetzt. Aber man wusste nicht allzu viel und Studien wird es keine gegeben haben.

Steiner

Darf ich noch einmal auf die Praxis des Schwangerschaftsabbruchs zurückkommen?

Pittermann

Naja, ich glaube in der Ersten Republik dürfte es so gewesen sein: Bei den Ärzten, sich auch wirklich an die Zeiten gehalten haben, dass da eher nichts passiert ist. Gefährlich ist es, wenn die Frau zu spät draufkommt, dass sie schwanger ist. Deswegen wird ja auch unterschieden zwischen der medizinischen zwölften Woche und der juristischen zwölften Woche. Die Mediziner rechnen vom ersten Tag der letzten Regel und die Justiz rechnet vom Zeitpunkt der Befruchtung an. Und ungefährlich ist ein Abbruch eigentlich nur bis zur 13. medizinischen Woche. Dann wird es schwieriger, dann ist schon mehr Schleimhaut aufgebaut und die Gebärmutterwand wird dünner. Aber harmlos ist das nie. Es gibt keine Medizin ohne Risiko! Jede Frau ist besser beraten, zu verhüten, als einen Abbruch zu machen. Und die berühmte Stricknadelmethode… es kann ja auch bei einer gewollten Schwangerschaft das Kind absterben, manchmal auch unbemerkt, dann kommt es zu einem Abortus. Und das muss dann vollständig abgehen, sonst entzündet sich das Gewebe. Jetzt, mit dem Ultraschall ist das alles kein Problem, aber damals…aber es ist auch im Studium nicht wahnsinnig viel über den Schwangerschaftsabbruch geredet worden. Man hat das halt so ein bisschen mitbekommen, weil man ja auch in den Nachtdiensten miteinander redet. Aber wenn jetzt einer sehr katholisch war, dann wird er das wahrscheinlich eher nicht gemacht haben. Aber Moral ist halt was Dehnbares. Und in der Ersten Republik waren sehr viele jüdische Ärzte Sozialärzte, auch Ärztinnen. Die hatten auch Sozialtarife. Diese Ärzte haben auch sehr gefehlt nach dem Krieg.

Steiner

Was dieses Forschungsprojekt so aktuell macht, ist die Diskussion in Amerika. Dass es kann wahlentscheidend sein kann, ob Schwangerschaftsabbrüche erlaubt sind oder nicht.

Pittermann

Ich glaube, in Österreich werden sie sich nicht trauen, an der Fristenlösung zu rütteln. Das kann ich mir nicht vorstellen. Und damals… also in den kommunistischen Ländern haben sie nichts dagegen gehabt. Auch in Ungarn und der Tschechoslowakei. Ich habe eine Schulkollegin gehabt, die hat das in Ungarn machen lassen.

Steiner

Was war damals die größte Angst von Frauen, die ungewollt schwanger geworden sind in Ihrer Erinnerung?

Pittermann

Dass der Mann sie verlässt, wenn sie verheiratet waren. Und bei den Jungen, dass sie geächtet sind und dass ihnen das Kind weggenommen wird. Wenn sie nicht verheiratet waren, mussten sie zum Jugendamt wegen der Vormundschaft für ihr Kind, und das Jugendamt konnte sie dann sekkieren.

Steiner

Kommen wir noch einmal zur Aufklärung…

Pittermann

Also meine Mutter wurde als junges Mädchen über sexuelle Dinge überhaupt nicht aufgeklärt! Sie war aus einem jüdischen bürgerlichen Haushalt und mein Vater war aus einer Arbeiterfamilie. Seine Mutter hat wirklich noch Opfer erbracht, damit er die Mittelschule besuchen kann, das war nicht üblich bei Arbeiterkindern. Meine Mutter hatte als Jüdin nur die Chance zu überleben, weil mein Vater bei ihr geblieben ist. Er hat die Scheidung verweigert und ist 1938 dann nicht mehr zur Promotion zugelassen worden. Meine Eltern haben sehr auf Augenhöhe miteinander gelebt. Aber auch in meiner Kindheit war Sexualaufklärung in der Schule nicht üblich, das gab es nicht. Es herrschte eine große Unwissenheit. Und die Mädchen, die schwanger geworden sind, die sind aus der Schule geflogen. Man ist allein wegen einer Schwangerschaft der Schule verwiesen worden! In der siebten Klasse, da endete das Biologiebuch beim Bauch des Mannes. Meine Mutter hat mit mir aber schon darüber gesprochen. Ich bin auch sehr behütet aufgewachsen, war fast nie unbewacht. Wir sollten auch nur zu viert miteinander ausgehen. Meine Eltern wollten, dass ich gleich zu ihnen komme, falls doch etwas passiert. Und sie waren auch gegen Alkohol, weil wenn man Alkohol trinkt, verliert man natürlich leichter die Kontrolle. Das hatte ja einmal Tradition in der Sozialdemokratie.

Steiner

Sie wollten noch von einem Erlebnis erzählen, das Sie als junge Studentin im Spital gehabt haben.

Pittermann

Ja, ich muss sagen, es hat ein Erlebnis gegeben, das mich sehr geprägt hat, da war ich noch Famulantin im Spital, 1968 war das. Da habe ich einmal eine Frau sterben gesehen. Das war eine circa 20 Jahre alte Hausbesorgerin mit drei Kindern. Drei Kinder hat sie schon gehabt, das war das vierte und das ging finanziell nicht. Und da ist was gemacht worden, sie kam dann mit einer Bauchfellentzündung, das war Ende der 60er Jahre nicht beherrschbar. Und sie hat bis zum Schluß nicht verraten, wer den Abbruch gemacht hat. Man hat sie gefragt: “Wer war das?” Aber sie hat nichts gesagt, sie ist gestorben. Und ein sehr rechts stehender Anästhesist sagte damals zu mir: „Und ihre Partei macht auch nichts, damit das nicht mehr passiert!“ Und ich muss sagen: ich war früher nicht so für den Schwangerschaftsabbruch, ich habe gesagt: man muss doch wissen, wie es dazu kommt. Aber nach diesem Erlebnis habe ich gesagt, nein, es ist wurscht, wie es dazu kommt, es darf keine Frau mehr daran sterben. Vorher dachte ich, das wird schon nicht so häufig sein, aber es gab ja auch Frauen, die zehn Abtreibungen hatten.

Steiner

Dann hat dieses Erlebnis bei Ihnen doch etwas verändert.

Pittermann

Ja, dann war ich mehr für die Fristenlösung als vorher. Für mich selbst war ich immer gegen den Schwangerschaftsabbruch. Man hat auch nicht viel darüber geredet. Ich wusste, dass es meine Mutter unter dieser Bedrohung getan hat. Okay. Und das war für mich eher was Außergewöhnliches. Aber ich selber bin nie ungewollt schwanger geworden. Ich bin zum Glück schwanger geworden, als ich es auch werden wollte. Denn es ist ja auch fürchterlich, wenn man schwanger werden will und es funktioniert nicht.

Steiner

Ich bedanke mich sehr herzlich für das Gespräch!